
Stopp in Jędrzejów
// von Melanie Schulz l 23.12.2023
Wir verlassen die europäische Kulturhauptstadt Breslau so gegen elf. Auf dem Weg in die Beskiden legen wir einen Stopp in Jędrzejów ein.
An der Europastraße 77 zwischen Kielce und Krakau gelegen, treffen wir P. in der bunten Ortsmitte von Jędrzejów (und so wird es ausgesprochen). P. wird uns später das Kloster von Jędrzejów und das Sonnenuhrenmuseum zeigen. Doch zuerst nehmen wir gemeinsam ein Erfrischungsgetränk in einer der Bars am zentralen Marktplatz. Neuigkeiten werden ausgetauscht, dann geht es zu Fuß zum Kloster Jędrzejów, einer Zisterziensermönchsabtei, die Janik, der spätere Bischof von Breslau, im Jahr 1140 gründete. Knapp zehn Jahre später wurde die Abtei bereits von Zisterziensern aus Morimond bewohnt.
Das Zisterzienserkloster Jędrzejów













Schließlich handelt es sich beim Kloster Jędrzejów um die 21. Tochterabtei der Primarabtei Morimond, also um eine ziemlich frühe Klostergründung der Zisterzienser. Von hier aus wurden später zwei weitere polnische Zisterzienserklöster ins Leben gerufen. Im Jahr 1819 wurde das Kloster aufgehoben, erst 1945 kehrten Zisterziensermönche zurück nach Jędrzejów. Die im 12. Jahrhundert errichtete Kirche wurde mehrfach umgestaltet, insbesondere im Spätbarock. Aus dieser Zeit stammen auch die vielfarbigen Gemälde an Decken und Wänden.
Alles begann im Burgund
Doch wer genau waren nochmal die Zisterzienser? Ihr Name leitet sich von ihrem ersten Kloster in Citeaux, lateinisch Cisterium, ab. Der Benedektiner Robert von Molesme (1028 – 1111) gründete dieses im Jahr 1098 mit einer kleinen Gruppe reformwilliger Klosterbrüder und zwar in einem abgeschiedenen Sumpfgebiet im französischen Burgund nur unweit von Dijon.
Armut, Einfachheit und Abgeschiedenheit als Credo
Anlass für die Ordensgründung bot die nur etwa 100 Kilometer entfernte Benediktinerabtei Cluny. Diese hatte, wie auch andere Benediktinerklöster, die seit dem 6. Jahrhundert in Europa entstanden, durch Spenden, Stiftungen und Erbschaften große Ländereien und ein ebensolches Vermögen erworben. Kritiker wie Molesme sahen die klösterliche Lebensweise vernachlässigt. Sie wollten wieder streng nach der Regel des heiligen Benedikt, also im ständigen Wechsel von Gebet, Arbeit und Lesung leben. Dies bedeutete, den Lebensunterhalt wieder durch eigene Arbeit zu erwirtschaften, auf Schenkungen kultivierter Liegenschaften zu verzichten sowie in Armut, Einfachheit und Abgeschiedenheit zu leben.
Erste Klosterneugründungen
Auf Robert von Molesme folgten der Heilige Alberich und Stephan Harding als Klosteräbte von Citeaux, doch erst der heilige Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153), brachte den Durchbruch für den neuen Orden. Mit ihm an der Spitze wurden die Zisterzienser schließlich zu der! Bewegung des 12. Jahrhunderts. So erfolgten auf seine Initiative erste Klosterneugründungen in Frankreich: La Ferté (1113), Pontigny (1114), Clairvaux (1115), dem er schließlich als Abt vorstand, und im selben Jahr Morimond. Diese vier Primarabteien bildeten mit dem Mutterkloster das Zentrum des neuen Ordens.
Zisterzienser-Boom in Europa
Von nun an stand der Ausbreitung der Zisterzienser nichts mehr im Wege. Kirche und Adel baten um die Gründung von Zisterzienserklöstern in ihren Territorien. Noch zu Lebzeiten des Heiligen Bernhard gab es bereits knapp 350 Zisterzienserklöster in Europa. Ab dem 13. Jahrhundert stieg auch die Zahl der Zisterzienserinnenklöster an, sodass es um das Jahr 1300 bereits doppelt so viele Klöster des Ordens gab.
Maria als zentrale Figur
Die Zisterzienserklöster waren durch das Prinzip der Filiation oder Tochterschaft miteinander verbunden. Dabei kontrollierte die Mutterabtei durch Besuch der Tochterabteien die Einhaltung der zisterzienserischen Gebräuche. Daneben trafen sich einmal im Jahr alle Äbte zu einer Generalversammlung in Citeaux. Die Einheit des Ordens sollte aber auch durch einen einheitlichen Bau von Klöstern und Kirchen demonstriert werden. Passend zur harten Lebensweise bedeutete dies eine Architektur ohne Verzierungen, Bilder und Ornamente. Die Schlichtheit der Klöster sollte die Spiritualität der Mönche unterstützen, die besonders die Menschlichkeit Christi und dessen Mutter, Maria, verehrten.
Im Uhrenmuseum von Jędrzejów



Zurück am Marktplatz nehmen wir den Eingang zum hübschen Garten des Przypkowski-Uhrenmuseums. Das Museum der Familie Przypkowski umfasst Hunderte von Sonnenuhren, die hier an langen, heißen Tagen unermüdlich die Stunden und Minuten messen. In zwei alten Mietshäusern aus dem 18. Jahrhundert gibt es weitere Zeitmessgeräte wie Wasser-, Kerzen-, Sand- und Öluhren zu bewundern, dazwischen astronomische Geräte und das Ticken mechanischer Uhren.
Die drittgrößte Uhrensammlung der Welt
Laut eigenen Angaben soll es sich um die drittgrößte Uhrensammlung dieser Art nach Oxford und Chicago handeln. In der Abteilung für Frühdrucke wird zudem ein Exemplar von Nikolaus Kopernikus „Über die Umlaufbahnen der Himmelsphären“ aus dem Jahr 1566 aufbewahrt, daneben Ausgaben des Danziger Astronoms und Begründers der Mondkartographie, Johannes Hevelius, des niederländischen Astronoms und Erfinders der Pendeluhren Christiaan Huygens sowie des französischen Philosophen René Descartes.
Der zentrale Marktplatz von Jędrzejów







Unsere Zeit in Jędrzejów endet auch schon wieder in einer der vielen Bars. P. mietet uns noch ein Zimmer in den Beskiden an, in einem alten Lemkenhaus, in dem der polnische Autor Andrzej Stasiuk wohnte, bevor er zwei Häuser weiter zog. Wir bedanken uns für die wunderschöne gemeinsame Zeit und verabschieden uns herzlich. Wir werden noch oft an diesen besonderen Tag in Jędrzejów denken.
Pilgerfahrt in die Beskiden
Vor uns liegt eine abenteuerliche Reise in die Beskiden. Keiner könnte sie besser beschreiben als Andrzej Stasiuk selbst: „Gibt es eine bessere Metapher für die Reise als eine brüchige Landkarte? Gibt es eine noblere Art der Reise als die auf den Spuren eines Schriftstellers, dessen Bücher man bewundert? Ja, so eine Reise ist eine Pilgerfahrt. Und die Pilgerfahrt ist schließlich nichts anderes als die ältere Schwester der Reise an sich.
Reisen heißt leben. Jedenfalls doppelt, dreifach, mehrfach leben.“ Andrzej Stasiuk: Fado, Seite 39. Unbedingt lesen!