// von Melanie Schulz | 01.05.2024

Viel zu selten schaffe ich es schon zum Sonnenaufgang an den Fluss zu gehen. Am schönsten ist es, wenn sich dort über Nacht ein weicher Nebelschleier gebildet hat.

Im Morgennebel ist der Fluss geheimnisvoll und verwunschen. Wenn die Sonne aufgeht und es ihr gelingt, den rätselhaften Nebeldampf zu durchdringen, dann löst sie diesen langsam auf. Sie erwärmt die Luft, die vielen kleinen Wassertröpfchen verdunsten und gleichzeitig sinkt die Luftfeuchtigkeit, weil die erwärmte Luft mehr Wasser aufnehmen kann. Für einige Zeit scheinen sich Sonne und Flussrauch auf diese Weise sanfte Gefechte zu liefern, doch der Bodennebel hat auf lange Sicht keine Chance, die Sonne wird ihn früher oder später einfach hinweg strahlen und die grünen Flusswiesen in einen golden leuchtenden Schimmer tauchen. Der Fluss glitzert dann silbern bis bläulich-violett. So verhält es sich an vielen Frühlingstagen. Sie alle müsste man durch frühes Aufstehen mitbekommen, wäre da nicht die morgendliche Schlummertaste und das dringende Bedürfnis nur noch wenige Minuten, meistens sind es gleich neun, weiterzuschlafen.

Sonnige Rast

Diesmal aber habe ich es geschafft und die Bogenbrücke über den Fluss zum Sonnenaufgang erreicht. Nur unweit von hier mündet ein kleiner Nebenfluss, die begleitende Ufervegetation verrät ihn. Umringt von grasenden Rindern, fängt die Haut eines Tipi Zeltes die Morgensonne ein. Quert man von hier aus einige Gärten erreicht man eine kleine Bank und einen Steg, der über den linken Nebenfluss führt. Über beidem hängen die wunderschönen Äste einer blühenden Traubenkirsche. Hier halte ich eine kleine Rast. Mein Blick schweift über die feuchten Wiesen, ein violetter Perlmuttfalter flattert über sie hinweg.

Morgenglorie