
Das Aquädukt
// von Melanie Schulz | 22.12.2021
Das höchste aller antiken Aquädukte, der Pont du Gard, ist ein Meisterwerk römischer Ingenieurskunst. Um das fast 50 Meter tiefe Tal des Gardons zu überwinden, bauten die römischen Konstrukteure einfach drei Bogenreihen übereinander.
Ein sonniger Tag im August: Durch südliche Sommeralleen fahren wir erst nach Uzès und am späten Nachmittag weiter zum Pont du Gard. Eine Aufnahme von der Brücke auf den grünblauen Gard(on), dieser eingefasst von Felsen und kleinen Sandbuchten, hatte mir so gut gefallen, dass sie mir nicht mehr aus dem Sinn gehen wollte.
Der Gardon kommt mit zwei Armen und mehreren Nebenflüssen aus dem Lozère hinab. Hier, wo ihn die berühmte Bogenbrücke überspannt, hat er sich 50 Meter tief in die Landschaft gegraben.
Begleitet von weiteren Paaren und Grüppchen laufen wir vom Parkplatz in Richtung des prächtigen Aquädukts. Der Weg führt durch dürres, karges Land. Rundherum wachsen Steineichen und jede Menge mediterrane Garrigue, während rechterhand mehrere prachtvolle Olivenbäume im grellen Sonnenlicht grüßen. Die gewaltigen Stämme dieser Ölbäume zeugen von ihrem hohen Alter. Und in der Tat: laut einer Steinplakette wurden die Bäume im Jahr 908 in Spanien gepflanzt und über tausend Jahre später, nämlich im Jahr 1988, an diesen wundervollen Ort verpflanzt. Kaum jemand, der sich nicht darunter fotografieren ließe.
Ein Bauwerk der Superlative
Die aus 6 Tonnen schweren Muschelkalkquadern gebaute Bogenbrücke ist aus der Ferne vor allem eines: lang. Insgesamt 275 Meter. Je näher wir ihr kommen, desto mehr beeindruckt sie aber vor allem durch ihre Höhe von sage und schreibe 49 Metern. 52 Halbkreisbögen verteilt auf drei Stockwerke machen es möglich: Die sechs unteren Bögen bilden die Basis für die elf Bögen des zweiten Stockwerks. Auf diesem fußt die obere Bogenreihe mit insgesamt 35 Bögen, auf der auch die Wasserleitung verläuft. Mit einer maximalen Bogenweite von 24,40 Metern (zuvor galten Bogenweiten von vier bis fünf Metern als gut machbar) ist der Pont du Gard das höchste Brückenbauwerk römischer Ingenieure.
Den Rundbogenbau hatten sich die Römer von den Etruskern abgeschaut. Sie wussten, dass ein Bogen sehr viel belastbarer ist, als eine Konstruktion aus horizontalen und vertikalen Trägern. Die keilförmig behauenen Steine wurden um eine provisorische Holzkonstruktion herum gesetzt, wobei erst der letzte eingelassene Stein dem Halbkreisbogen seine Stabilität verlieh. Die Steine mussten für eine solche Konstruktion, die ganz ohne Mörtel und Zement auskam, äußerst präzise behauen werden.
34 Zentimeter Neigung auf einen Kilometer
Das monumentale Bauwerk ist Teil einer 50 Kilometer langen Fernwasserleitung. Diese transportierte nach ihrer Fertigstellung 20 000 Kubikmeter Wasser pro Tag von den Quellen bei Uzes nach Nîmes und verlief über Brücken, größtenteils aber durch Tunnel. Das Besondere: Der Höhenunterschied auf der Strecke lag bei gerade einmal 17 Metern. Die Neigung musste also über die gesamte Distanz hinweg konstant niedrig gehalten werden, damit das Wasser fließen konnte. Noch heute ist es ein Rätsel, wie die Techniker des antiken Roms so exakte Berechnungen anstellen konnten.
Zumindest bedurfte es der besten Ingenieure des Landes, um ein solches Bauwerk zu planen. Der Vorsteher des Bauamtes Aggripa hatte sie zusammen getrommelt, nachdem ihn sein Schwiegervater Kaiser Augustus im Jahr 19 vor Christus mit dieser schier unlösbaren Aufgabe betraut hatte. Auch das tiefe Tal des Gardon musste damals für unüberwindbar gehalten worden sein. Dennoch wagte Agrippa den Bau dieser gigantischen Brücke, die alles zuvor dagewesene in den Schatten stellte. Erst Jahrhunderte später soll es wieder möglich gewesen sein, ähnliche Brückenbauwerke zu konstruieren. Gebaut wurde die Brücke von zirka 1000 Männern, darunter viele Sklaven und Kriegsgefangene.
Heute ist der grünblau schimmernde Gardon zumindest im Sommer von Brückenspringern, Kanuten und Badenden gespickt, an den Ufern wird gepicknickt und sonnengebadet. Kinder lachen und planschen. Wir spazieren über die Brücke und folgen schließlich einem Pfad, der zum Fluss führt. Von hier aus haben wir noch einmal einen wunderschönen Blick auf das außergewöhnlich imposante Bauwerk: Das! Aquädukt.
Sehenswert aus der ZDF-Mediathek: Geniale Bauten der Römer: Das Aquädukt von Nîmes