Kölner Lichter: heimatlose Tatort-Bude

Das Tatort-Logo vor weißem Hintergrund Interview

Kölner Lichter: heimatlose Tatort-Bude

// von Melanie Schulz | 10/08/2010

Der Kölner Tatort ist 1997 das erste Mal auf Sendung gegangen und läuft jetzt schon seit 13 Jahren. Damit ist er der am häufigsten ausgestrahlte Tatort im deutschen Fernsehen. Am Ende einer jeden Folge essen Schenk und Ballauf noch eine Currywurst an Ihrer Bude.

Frau Vosen, meine erste Frage ist, sind Sie mit der Kölner Tatort-Bude seit Anfang an, also seit 13 Jahren dabei oder sind Sie erst später mit ins Boot geholt worden.

Wir machen jetzt erst seit zehn Jahren mit, seit knapp zehn Jahren und das war purer Zufall. Da kam ein junger Mann mit Namen weiß ich nicht, der hatte zweierlei Socken an, weil seine Frau ein Wollstudio irgendwo in der Stadt hatte und er war auf der Suche nach einer Kegelbahn und hat dabei den Wagen draußen stehen sehen und war so verliebt, sodass acht Tage später der erste Anruf für die Filmaufnahmen kam.

Ist er dann noch mal auf Sie zugekommen oder kam direkt jemand vom WDR?

Nein, es kam direkt jemand vom WDR. Es kam direkt der Anruf und die Frage, ob sie sich den Wagen noch mal offen anschauen könnten und dann der Dreh.

Und Sie haben sofort zugesagt?

Das war für uns zu Anfang einfach nur ein Auftrag wie jeder andere, wenn jemand einen Wagen anmietet. Wir haben uns da gar nichts bei gedacht, wir haben einfach den Job gemacht und haben gedacht „so einmal und das war es“. Dass das dann noch zehn Jahre dauert, damit haben auch wir nicht gerechnet.

Sie führen ein alteingesessenes Familienunternehmen in Köln-Pesch, dass Imbisswagen auf Jahrmärkten, Kirmesfesten usw. betreibt. Seit wann haben Sie dieses Geschäft?

Wir sind reingeboren. Das heißt mein Vater ist 77 Jahre alt und er hat nie etwas anderes gemacht als Kirmes. Meine Mutter hat er vom Ballett weg geheiratet und bei uns Kindern hieß es immer erst Schule, Beruf und dann konnten wir uns aussuchen, was wir machen wollten. Aber natürlich sind wir nach der Schule auch mit ins Geschäft und wer einmal drin war, geht auch nicht mehr weg.

Lieben Sie den Rummel?

Na klar, das kann man nicht anders sagen. Die Lichter abends, die Musik, das Publikum, obwohl das in letzter Zeit ja wohl immer weniger wird, aber das ist OK so. Ich möchte nichts anderes machen, obwohl ich andere Sachen gelernt habe, aber ich möchte trotzdem nichts anderes machen.

Fühlen Sie sich eher als Mitglied einer Schaustellerfamilie, die gerne auf Reisen geht, oder schlägt Ihr Herz in erster Linie für Köln?

Für Köln, ist natürlich klar, ich will abends den Dom sehen, Kirmes ist auch schön, aber am liebsten mache ich Betriebsfeste, Familienfeiern oder halt die Filmerei.

Inwieweit hat die Rolle im Tatort Ihr Leben bzw. Ihr Geschäft verändert?

Ganz ehrlich? Gar nicht. Es ist halt `ne Arbeit wie jede andere, es macht Spaß dabei zu sein, nur manchmal finde ich es furchtbar anstrengend zwanzig Mal das selbe Brötchen aufzuschneiden, aber die meiste Zeit muss jetzt meine bessere Hälfte rein und er muss dann schneiden.

Touristen haben die Kölner Tatort-Bude mit auf Ihren Programm, ich könnte mir  vorstellen, dass sich der Tatort-Auftritt wirtschaftlich sehr vorteilhaft für Sie ausgewirkt hat?

Ja, klar, dieser Laden ist bekannt, die Leute rufen an und fragen, wo sie uns finden. Natürlich, jetzt sind wir nicht mehr vor dem Schokoladenmuseum und dann ist das für die Leute auch schwierig. Ich kann ja schlecht den Wagen mal gerade irgendwo aufbauen, damit die Leute aus dem Bus aussteigen, kucken, essen, wieder in den Bus einsteigen, fahren, das geht nicht. Natürlich merkt man das dann auch finanziell.

Soweit ich informiert bin, standen Sie die letzten vier Jahre vor dem Schokoladenmuseum. Wo standen Sie zuvor mit der Tatort-Bude?

Die Tatort-Bude war schon in Rente, bis dass der gute Mann vom WDR diesen Wagen dann wieder ins Leben gerufen hat. Vorm Schokoladenmuseum haben wir sechs Jahre gestanden, bis dass der Denkmalschutz kam und gesagt hat, der Wagen muss weg.

Denken Sie, dass dies eine alleinige Entscheidung des Denkmalschutzes war, oder, dass auch die Familie Imhoff vom Schokoladenmuseum auf diese Entscheidung mit hin gewirkt hat?

Sehr schön. Der Denkmalschutz ist schon seit einigen Jahren daran gewesen und hat gesagt, das gefällt Ihnen alles so nicht und solange, wie die Baumaßnahmen im Rheinauhafen noch im Gange waren, hat das niemanden wirklich gestört. Aber dann waren die Baumaßnahmen nun mal fertig mit den Kranhäusern, den Hotels, Microsoft und dann hat der Denkmalschutz ganz definitiv gesagt „Nein, so nicht.“

Der Biergarten sollte ganz verschwinden oder ganz neu aufgemacht werden, weil er zum Rheinauhafen passen sollte.

Hätten Sie Ihre Bude nach baulichen Anpassungsmaßnahmen dort weiter betreiben können oder ging es ganz konkret um die Bude?

Nein, es ging ganz speziell um diese alte Bude, die vor der alten Drehbrücke gestanden hat. Da sollte optisch etwas hin, was dann auch zum Rheinauhafen passen würde.

Auch der Betreiber des Biergartens meinte, dass die Kölner Tatort-Bude tatsächlich nicht in das Gesamtbild des neuen Rheinauhafen passe, auch seien Regulationen in einer Stadt notwendig, wenn man Verhältnisse wie in Las Vegas vermeiden wolle. Was sagen Sie zu diesem neuen Köln aus einem Guss?

Hm, Köln aus einem Guss, das kann man jetzt sehen, wie man möchte und ich habe da meine ganz eigene Meinung dazu, aber die behalte ich dann doch lieber für mich.

Haben Sie Rückmeldungen aus der Bevölkerung bezüglich des Platzverweises der Bude bekommen?

Naja, eigentlich ist der Stadt Köln ja egal, was die Bevölkerung will, das ist nun mal so. Ich habe über Ostern sämtliche Telefone abgeschaltet, weil ansonsten hätte ich auch kein freies Ostern gehabt, was das erste Mal in meinem Leben passiert ist. Weil die Leute immer wieder gefragt haben, „Wann kommt Ihr?“, „Wo seid Ihr jetzt?“, also Ostern, die Telefoniererei,  Internet, E-Mails, das war alles so schlimm, wir haben wirklich alles ausgemacht. Weil wir konnten den Leuten einfach nur sagen, dass wir keinen neuen Standort haben.

Waren das eher Leute aus der Kölner Bevölkerung oder haben sich vor allem Touristen bei Ihnen gemeldet?

Also, da waren genug aus der Kölner Bevölkerung, aber hauptsächlich Spanier, die mit ihren Reisegruppen kommen wollten, weil sie es auch so gewohnt waren, oder Hamburger, die mit ihren Gruppen kommen wollten oder auch Kölner, die auf Ostern `ne Schnitzeljagd gemacht haben oder Kindergeburtstag, Kinderheim Michelshofen, alles solche Sachen, die dann eben auch mit ihren Kindern kommen wollten, die haben natürlich dann auch angerufen.

Zurzeit wird die Kölner Tatort-Bude von Grund auf restauriert. Wie lange wird es dauern, bis die Bude wieder eingesetzt werden kann?

Der Laden ist fertig, weil wir damit schon Drehaufnahmen hatten, allerdings nicht für den Tatort.

Und für was?

Hm, das war eine Comedyserie, aber da ich nicht weiß, wann die gesendet wird, kann ich dazu auch noch nichts sagen.

Haben Sie denn viele Folgeaufträge bekommen?

Das ist ganz verschieden. Dieses Jahr war es eigentlich nicht so viel wie in den vergangenen Jahren. Das nächste was ansteht wäre München, NRW Medienfest aber da sind wir noch nicht ganz sicher, was dabei herauskommt.

Haben Sie schon nach einem neuen Traumplatz für die Tatort-Bude Ausschau gehalten?

Ehrlich gesagt hat uns bis jetzt noch die Zeit gefehlt, sich mal ins Auto zu setzen und einfach mal rumzufahren und zu kucken, wo könnte er hin passen, wo könnte man anfragen. Weil wir haben ja nicht nur diesen einen Wagen, sondern die anderen wollen auch verarbeitet werden und man braucht schon Zeit. Ich möchte ja jetzt nicht einfach irgendwo diesen Wagen hinstellen, dafür wären Anfragen genug, aber was soll das schöne Ding vorm Supermarkt, das möchte ich also jetzt auch nicht.

Eine Möglichkeit wäre ja vielleicht tatsächlich das Deutzer Rheinufer, wo die Bude für die Tatort-Dreharbeiten steht…

Da gibt’s kein Abwasser, kein fließendes Wasser und keinen Strom.

Ok, schade. Aber nochmal eine ganz andere Frage. Haben Sie in den vergangenen Jahren besonders spannende Geschichten mit Tatort-Pilgerern erlebt?

Ja, das schönste fand ich halt, das war ein zehnjähriger Junge, der hat zum Geburtstag eine Fahrt nach Köln geschenkt bekommen, ist mit seinen Eltern vom Frühstück aus aufs Fahrrad und hat dann diese Bude erkannt. Und dann mussten die Eltern, nachdem sie dann wirklich überzeugt wurden von dem Jungen, dass das der Tatort-Wagen ist, als zweites Frühstück direkt hinterher jeder eine Currywurst essen und die durfte der Junge dann selber machen. Der konnte also seinen Vater vom Wagen aus bedienen. Solche Sachen finde ich schön. Oder wenn ein Brautpaar kommt und die stehen dann im Laden drin und lassen sich knipsen, wonach dann der Bräutigam, der bis dahin keine Ahnung von Tatort hatte, auch ein Tatort-Fan war.

Und gab es auch schon mal während der Dreharbeiten besondere Erlebnisse? Und wann stehen Sie selbst in der Bude, wenn gedreht wird?

Die erste Zeit war ich mit drin, nach einer Weile waren mein Lebensgefährte und ich mit drin, nachher war dann nur noch mein Lebensgefährte mit drin, das ist dann dieser Geppart.

Wer ist dieser Geppart?

Das ist der Name des Imbissverkäufers während der Dreharbeiten. Und ab und an ist dann auch jemand drin, der sein Studium verdient hat, indem er an der Pommesbude ausgeholfen hat, der möchte dann natürlich auch gerne mal mit da rein. Wir sind zwar immer dabei, damit sich niemand verbrennt. Ist alles Gas betrieben, das lässt man dann sowieso nicht alleine. Schön finde ich halt immer, wenn der Kommissar als erstes seine Currywurst isst und da lässt er sich bei der Ersten auch nicht stören, weil hinterher bei den Drehereien, dann wird die Wurst ja immer kalt.

Und wie lange dauert ein Dreh?

Der kürzeste Dreh war vier Stunden, der längste war 17 Stunden.

17 Stunden! Was ist denn da schief gelaufen?

Da ist eigentlich gar nichts schief gelaufen, das hat halt eben so lange gedauert. Wenn viele Szenen am Imbiss stattfinden, das ist ja nicht nur immer die Schlussszene, dann dauert das eben auch länger. Es wird ja immer von vielen Seiten gefilmt.

Der Dietmar Bär soll mal gesagt haben, dass Ihre Currywurst tatsächlich besonders lecker sei. Was ist denn das Geheimnis der sagenumwobenen Tatort-Currywurst?

Es liegt einfach daran, dass wir die Soßen alle selber machen und die schmecken nicht jedes Mal gleich. Das ist nichts aus dem Eimerchen, die ist mal mehr scharf und mal weniger scharf, die ist mal etwas dicker und mal etwas dünner, das ist halt selbst gemacht.

Und was gibt es bei Ihnen zu Hause zu essen?

(Lacht) Keine Currywurst.

Bilder aus Köln gibt es hier:

Die Sonne im Logo von Photography Dreams
Melanie

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